Internationaler Tag der Eltern-Kind-Entfremdung

Einordnung: Jedes Jahr am 25. April wird weltweit der Internationale Tag der Eltern-Kind-Entfremdung begangen. Dieser Aktionstag soll auf das Phänomen der Eltern-Kind-Entfremdung – oft auch als Parental Alienation (Syndrome) bezeichnet – aufmerksam machen und Verständnis für die betroffenen Kinder und Eltern schaffen. Im Folgenden werden Herkunft und Ziel des Tages, die Bedeutung des Begriffs Eltern-Kind-Entfremdung, seine Anerkennung in verschiedenen Ländern, typische Aktivitäten und Unterstützer sowie bestehende Kontroversen sachlich erläutert.

Herkunft des Aktionstags

Der internationale Gedenktag wurde im Jahr 2006 ins Leben gerufen. Initiiert wurde er von der kanadischen Parental Alienation Awareness Organization (PAAO) rund um die Aktivistin Sarvy Emo. Emo und ihre Mitstreiter hatten 2005 aus eigener Betroffenheit erkannt, dass das Thema Eltern-Kind-Entfremdung in der Öffentlichkeit kaum bekannt war. Um dies zu ändern, riefen sie einen jährlichen Aktionstag ins Leben, ursprünglich kurzzeitig für den 28. März geplant, dann aber auf den 25. April gelegt. Mit diesem Datum startete 2006 eine globale Kampagne, deren Ziel es ist, über Eltern-Kind-Entfremdung zu informieren und aufzuklären. Die Initiatoren betonten von Anfang an, dass mit wachsender öffentlicher Aufklärung Verständnis entstehen solle – in der Bevölkerung ebenso wie bei Schulen, Behörden, Jugendämtern, Gerichten und auch bei Eltern selbst –, um dadurch langfristig das emotionale Leid der Kinder zu verringern. Der Gedenktag ist also kein „Feiertag“, sondern ein Aktionstag, der jährlich genutzt wird, um auf das Problem aufmerksam zu machen und Kinder vor einem solchen Schicksal zu schützen.

Bedeutung: Was ist Eltern-Kind-Entfremdung?

Unter Eltern-Kind-Entfremdung versteht man ein Phänomen, das meist im Kontext von Trennung und Scheidung auftritt. Dabei beginnt ein Kind, einen zuvor geliebten Elternteil ohne nachvollziehbaren Grund dauerhaft abzulehnen. Typischerweise lebt das Kind bei einem Elternteil und übernimmt – oft unbewusst – dessen negative Haltung gegenüber dem anderen Elternteil. In hochstrittigen Sorge- und Umgangskonflikten können Kinder so zum „Instrument“ werden: Ein Elternteil beeinflusst oder manipuliert das Kind derart, dass es den anderen Elternteil als feindselig oder unwürdig empfindet. Wichtig ist, dass echte Gründe wie Missbrauch oder Vernachlässigung hier nicht vorliegen – solche Fälle zählen nicht als Eltern-Kind-Entfremdung. Vielmehr handelt es sich um eine irrationale Ablehnung, die durch Indoktrinierung und Loyalitätskonflikte entsteht. Oft verweigert das Kind schließlich den Kontakt und bricht die Beziehung zu dem betroffenen Vater oder der Mutter ab. Dies zieht häufig auch den Kontaktabbruch zu ganzen Familienzweigen (Großeltern, Tanten, Onkel, usw.) nach sich.

Die damit verbundenen psychologischen Folgen sind erheblich. Fachleute weisen darauf hin, dass solche Kinder einen Verlust erleben, der dem Tod eines Elternteils gleichkommen kann. Obwohl keine körperliche Verletzung vorliegt, erleiden die Kinder seelische Verletzungen und Narben, die oft ein Leben lang anhalten. Psychologen sprechen in diesem Zusammenhang teils von emotionalem Missbrauch oder psychischer Gewalt am Kind. Entfremdete Kinder gelten als Hochrisikogruppe für spätere psychische Störungen; Studien zeigen vermehrt Depressionen, Angststörungen, Beziehungsprobleme und andere langfristige Beeinträchtigungen bei Erwachsenen, die als Kind den Kontakt zu einem Elternteil verloren haben. Auch der entfremdete Elternteil und weitere Angehörige können durch den erzwungenen Bindungsabbruch traumatisiert werden.

Mit dem Phänomen sind zudem soziale und rechtliche Fragen eng verknüpft. Schätzungen zufolge verlieren in Deutschland jedes Jahr Zehntausende Kinder den regelmäßigen Kontakt zu einem Elternteil – je nach Quelle wird von etwa 30.000 bis 60.000 betroffenen Kindern pro Jahr ausgegangen. Generell bleibt in ca. 15–30% aller Trennungsfamilien der Kontakt zwischen einem Elternteil und den Kindern auf Dauer abgebrochen. Solche Fälle stellen Familiengerichte und Jugendämter vor schwierige Entscheidungen: Wie kann dem Kindeswohl am besten gedient werden? Wann soll ein Gericht einschreiten, wenn ein Kind den Umgang verweigert? Einerseits steht das Recht des Kindes auf beiden Elternteile im Raum, andererseits müssen echte Gefährdungen (z. B. durch Gewalt) ausgeschlossen werden. Diese komplexen Fragen sind Bestandteil der aktuellen Fachdiskussion in Psychologie, Pädagogik und Familienrecht.

Anerkennung und Verbreitung

Obwohl der 25. April mittlerweile in vielen Ländern als Tag der Eltern-Kind-Entfremdung begangen wird, handelt es sich nicht um einen offiziell von der UNO anerkannten Welttag. Die Initiative beruht auf zivilgesellschaftlichem Engagement. Allerdings haben einzelne staatliche Stellen das Anliegen aufgegriffen: So gab es z. B. in den USA und Kanada bereits offizielle Proklamationen, die den 25. April zum Parental Alienation Awareness Day erklärten. In Bermuda wurde der Tag ebenfalls früh anerkannt. Insgesamt wird berichtet, dass inzwischen Dutzende Länder auf allen Kontinenten den Aktionstag kennen oder unterstützen – genannt werden unter anderem Argentinien, Australien, Belgien, Österreich und andere.

Auch im deutschsprachigen Raum findet der Tag immer mehr Verbreitung. In Deutschland machen Vereine wie Väteraufbruch für Kinder e.V. jährlich rund um den 25. April mit Pressemitteilungen, Mahnwachen oder Infoveranstaltungen auf das Thema aufmerksam. In Österreich schlossen sich Organisationen unter einer Väterplattform zusammen, um Eltern-Kind-Entfremdung bekannter zu machen; sie starteten u. a. Petitionen und forderten gesetzliche Schritte. In der Schweiz und in Liechtenstein wird der Tag ebenfalls begangen, oft in Form von Vorträgen oder öffentlichen Aktionen unterstützt durch lokale Initiativen (z. B. Männer- und Vätervereine). Diese breite internationale Beteiligung zeigt, dass das Thema Eltern-Kind-Entfremdung in vielen Gesellschaften als relevantes Problem erkannt wird – auch wenn die offizielle staatliche Anerkennung des Gedenktags unterschiedlich ausfällt. Wichtig bleibt: Der 25. April dient weltweit als gemeinsamer Bezugspunkt, um auf die Situation von Trennungskindern und entfremdeten Eltern aufmerksam zu machen.

Aktivitäten und öffentliche Aufmerksamkeit

Rund um den Aktionstag finden vielfältige Aktivitäten statt, die von betroffenen Eltern und unterstützenden Organisationen organisiert werden. Klassisch sind Informationsstände in Fußgängerzonen oder auf Marktplätzen, an denen auf Flugblättern und Plakaten über Eltern-Kind-Entfremdung aufgeklärt wird. So wurde etwa am 25. April 2022 in Schwerin (Mecklenburg-Vorpommern) ein Infostand aufgebaut, um Passanten über das Thema und seine Folgen zu informieren. Ähnliche Infokampagnen gab es in vielen Städten – unterstützt oft durch Bündnisse wie „Genug Tränen!“, einer Kampagne mehrerer Familienverbände. Diese organisierten in Deutschland z. B. 2022 Tourneen mit einem bunt beklebten Aktionsbus, der durch verschiedene Städte fuhr und Aufmerksamkeit für das Thema erzeugte. In einigen Städten wurden auch Mahnwachen vor Gerichtsgebäuden oder Rathäusern abgehalten, um auf die Problematik im Familienrecht hinzuweisen. Aktivisten suchen zudem das Gespräch mit der Politik: In Österreich etwa überreichten Vertreter einer Väterinitiative der Familienministerin Studienmaterial und forderten, Eltern-Kind-Entfremdung als Strafdelikt anzuerkennen. Viele dieser Aktionen werden durch soziale Medien begleitet, um eine größere Öffentlichkeit zu erreichen (häufig mit Hashtags wie #elternkindentfremdung oder #genugtränen).

Neben den Graswurzel-Aktionen der Betroffenen gibt es auch Unterstützung von Fachleuten und Medien. Um den 25. April herum erscheinen häufig Presseartikel und Interviews, die das Thema aufgreifen. Einige Zeitungen berichten über Schicksale entfremdeter Eltern oder neue Studien zum Ausmaß des Problems. Ein Beispiel für mediale Aufmerksamkeit ist der vielbeachtete ARD-Fernsehfilm „Weil du mir gehörst“ (SWR, 2020), der das Entfremdungsgeschehen eindrücklich darstellte. Anlässlich des Aktionstags wurde dieser Film erneut in der Mediathek bereitgestellt, um eine breite Öffentlichkeit zu erreichen. Auch werden Fachtagungen und Diskussionsrunden organisiert: In Zürich fand etwa am 25. April 2024 eine Podiumsdiskussion mit Juristen, Psychologen und Politikern zum Thema Eltern-Kind-Entfremdung und Kindeswohl statt, veranstaltet von einem Schweizer Elternverein in Kooperation mit der Genug-Tränen-Initiative. Solche Veranstaltungen erhöhen die öffentliche Wahrnehmung und fördern den Austausch zwischen Wissenschaft, Praxis und Betroffenen.

Nicht zuletzt unterstützen internationale Prominente und Organisationen die Anliegen des Tages. Beispielsweise engagierten sich in der Vergangenheit bekannte Personen wie Schauspieler Alec Baldwin, der in US-TV-Shows über seine eigenen Erfahrungen mit Parental Alienation sprach. Fachorganisationen im Bereich Familienrecht und Kinderschutz nutzen den 25. April, um neue Leitlinien oder Ratgeber zu veröffentlichen, die Eltern helfen sollen, Entfremdung vorzubeugen oder zu bewältigen. Insgesamt hat der Aktionstag in den vergangenen Jahren spürbar an öffentlicher Resonanz gewonnen: Was früher ein Nischenthema war, wird heute häufiger in Talkshows, Zeitungsberichten und sogar politischen Debatten thematisiert.

Kontroversen und Kritik

Trotz der wachsenden Aufmerksamkeit ist das Thema Eltern-Kind-Entfremdung nicht unumstritten. Kontroversen bestehen sowohl bezüglich des zugrundeliegenden Konzepts Parental Alienation Syndrome (PAS) als auch hinsichtlich der Instrumentalisierung des Gedenktags durch bestimmte Gruppen. Befürworter – oft Verbände von Trennungsvätern – betonen, dass es sich bei EKE um eine ernstzunehmende Form von Kindesmisshandlung handelt: Ein Elternteil begehe emotionalen Missbrauch, indem es das Kind gegen den anderen Elternteil aufbringt. In deren Augen wird dieses Unrecht lange verharmlost oder ignoriert, weshalb schärfere Maßnahmen und eine Anerkennung als Gewaltform nötig seien. Kritiker hingegen werfen ein, der Begriff PAS sei ein „Pseudo-Konzept“, das wissenschaftlich nicht ausreichend belegt und von Psychologen- und Ärzteverbänden mehrheitlich abgelehnt werde. Tatsächlich wurde Gardners PAS-Theorie in der Fachwelt intensiv diskutiert und gilt heute als wissenschaftlich nicht anerkannt; weder im Diagnosekatalog DSM-5 noch in der ICD-11 ist Parental Alienation als eigenständige Störung aufgeführt. Das deutsche Bundesverfassungsgericht stellte im November 2023 explizit fest, dass das als überholt geltende PAS-Konzept keine tragfähige Grundlage für familiengerichtliche Entscheidungen darstellt. Diese klare Positionierung der höchsten Gerichtsinstanz hat der Debatte neues Gewicht verliehen.

Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Anwendung des Entfremdungsvorwurfs in Sorgerechtsstreitigkeiten. Frauenrechtsorganisationen und manche Juristen warnen, der Vorwurf der „Eltern-Kind-Entfremdung“ werde mitunter missbraucht, um berechtigte Anliegen von betreuenden Müttern zu diskreditieren. So dokumentierte die UN-Sonderberichterstatterin für Gewalt gegen Frauen, Reem Alsalem, Fälle, in denen gewaltbetroffene Mütter vor Gericht mit PAS-Beschuldigungen konfrontiert wurden, um ihre Missbrauchsvorwürfe zu entkräften. Alsalem bezeichnete Parental Alienation in einem Bericht als „Pseudo-Konzept“, das weltweit vor allem gegen Mütter eingesetzt werde. Entsprechend kritisch sehen viele dieses Narrativ: Es bestehe die Gefahr, dass Familiengerichte im Sinne einer Pseudowissenschaft handeln und Kinder sogar dem gewaltausübenden Elternteil zusprechen, während die schützende Mutter als „entfremdend“ stigmatisiert wird. In Deutschland brachte die Linken-Abgeordnete Gökay Akbulut diese Problematik im Bundestag zur Sprache. Sie monierte, noch immer würden Kinder „selbst dann aus der Obhut ihrer Mütter herausgerissen, wenn Väter mutmaßlich gewalttätig waren“ – unter Verweis auf den PAS-Begriff. Solche Fälle lösten scharfe Diskussionen über das rechte Verständnis von Kindeswohl und den Einfluss von „Väterrechtslobbys“ aus.

Darüber hinaus wird diskutiert, ob der Aktionstag selbst politisch instrumentalisiert ist. Einige Stimmen – etwa aus feministischen Kreisen – betrachten den internationalen PAS-Tag als Kampfinstrument einer väterrechtlichen Bewegung, die hauptsächlich die Anliegen entsorgter Väter in den Vordergrund stelle und strukturelle Probleme (z. B. häusliche Gewalt als Trennungsgrund) ausblende. Demgegenüber betonen die Initiatoren, dass Eltern-Kind-Entfremdung geschlechtsunabhängig vorkommt und sowohl Mütter als auch Väter Opfer der Situation sein können. Tatsächlich gibt es auch dokumentierte Fälle entfremdeter Mütter, wenngleich statistisch häufiger Väter vom Umgangsausschluss betroffen sind. Die Kontroverse spiegelt also einen gesellschaftlichen Spannungsfeld wider: Einerseits das legitime Anliegen, Kinder vor manipulativen Konflikten zu schützen, andererseits die Gefahr, dass der PAS-Begriff pauschalierend eingesetzt wird und Einzelfälle über einen Kamm schert. Fachleute raten daher zu einem differenzierten Vorgehen: Statt reflexhaft das Schlagwort „Entfremdung“ zu verwenden, solle in jedem Familiengerichtsverfahren genau geprüft werden, warum ein Kind den Kontakt ablehnt – und geeignete Lösungen individuell erarbeitet werden.

Fazit: Der Internationale Tag der Eltern-Kind-Entfremdung hat in knapp zwei Jahrzehnten viel bewirkt, indem er ein schwieriges Thema ins Licht der Öffentlichkeit gerückt hat. Die Diskussion darüber ist jedoch nach wie vor von gegensätzlichen Positionen geprägt. Unstrittig bleibt, dass Kinder aus zerbrochenen Familien bestmöglich vor Loyalitätskonflikten geschützt werden müssen. Der jährliche Aktionstag am 25. April trägt dazu bei, dieses Ziel ins Bewusstsein zu rufen – und die kontroverse Debatte zeigt gleichzeitig, wie komplex die Realität hinter dem Begriff Eltern-Kind-Entfremdung ist.

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