Tag der Bisexualität (Celebrate Bisexuality Day)

Jedes Jahr am 23. September wird weltweit der Tag der Bisexualität begangen – international auch als Celebrate Bisexuality Day oder Bi Visibility Day bezeichnet. Dieser Aktionstag dient der Sichtbarmachung von Bisexualität und würdigt bisexuelle Menschen, ihre Community und ihre Geschichte. Im Folgenden werden Herkunft und Geschichte des Aktionstags, seine Bedeutung und Ziele sowie die Relevanz und öffentliche Wahrnehmung in Deutschland dargestellt. Außerdem geht es um Beispiele für Veranstaltungen und Initiativen rund um diesen Tag in Deutschland sowie den gesellschaftlichen und politischen Kontext der Bisexualität.

Herkunft und Geschichte des Aktionstags

Der Tag der Bisexualität geht auf eine Initiative aus dem Jahr 1999 zurück. Die US-amerikanischen Bürgerrechtsaktivist*innen Wendy Curry, Michael Page und Gigi Raven Wilbur riefen den Gedenk- und Aktionstag vor über 20 Jahren ins Leben. Die erste offizielle Feier fand im September 1999 im Rahmen einer internationalen LGBT-Konferenz der ILGA in Johannesburg statt – daher fiel die Wahl auf den 23. September als jährliches Datum. Was zunächst als US-amerikanischer Aktionstag begann, gewann in den Folgejahren weltweit an Aufmerksamkeit. Inzwischen wird der Celebrate Bisexuality Day am 23. September international begangen, mit Veranstaltungen und Aktionen unter anderem in Deutschland, Japan, Neuseeland, Schweden und Großbritannien.

Bedeutung und Ziele des Tages

Im Gegensatz zu manchen anderen LGBT-Aktionstagen entstand der Tag der Bisexualität ausdrücklich als Reaktion auf Vorurteile und Marginalisierung, die bisexuelle Menschen erfahren. Bisexuelle werden oft übersehen, für nicht existent erklärt oder als Personen betrachtet, die sich „nur nicht entscheiden können“ und eine Phase durchlaufen. Der 23. September ist daher nicht „nur ein weiterer Tag für irgendetwas“, sondern ein wichtiger Anlass, um darauf aufmerksam zu machen, dass Bisexualität als eigenständige sexuelle Orientierung existiert und Anerkennung verdient.

Ein zentrales Ziel des Aktionstags ist es, bisexuelle Menschen und ihre Geschichten sichtbar zu machen. Bisexualität soll aus dem Schatten von Hetero- und Homosexualität geholt werden, denn sexuelle Orientierung passt nicht in ein rein duales Schema. Sowohl heterosexuellen als auch homosexuellen Menschen soll bewusst werden, dass es „auf der Skala dazwischen auch noch etwas gibt“ – nämlich vielfältige nicht-monosexuelle Identitäten. Entsprechend soll der Tag Vorurteile abbauen und Aufklärungsarbeit leisten, damit sich mehr Menschen etwas Konkretes unter Bisexualität vorstellen können. Viele wissen wenig über diese Orientierung, und es kursieren zahlreiche Klischees; der Aktionstag möchte dem begegnen und Bisexualität als vollwertige, legitime Identität herausstellen. Zudem bietet er **Bi+*-Personen (bisexuellen, pansexuellen u.a. Menschen) selbst die Gelegenheit, über das eigene Coming-out nachzudenken, sich gegenseitig Mut zu machen und stolz auf ihre Identität zu sein.

Relevanz und öffentliche Wahrnehmung in Deutschland

In Deutschland ist der Tag der Bisexualität lange Zeit nur wenig bekannt gewesen. Während etwa der Internationale Tag gegen Homophobie in Politik und Medien deutlich Beachtung findet, fristete der Bi Visibility Day bis vor wenigen Jahren eher ein Schattendasein außerhalb der queeren Community. Bis heute posten z.B. vergleichsweise wenige prominente Persönlichkeiten oder Institutionen zum 23. September Statements, und größere Medien greifen das Thema selten auf. Dennoch kommt nach und nach mehr Bewegung in die Wahrnehmung: So wurde 2018 erstmals (und damals erst zum zweiten Mal überhaupt) die Bisexual Pride Flagge an einem deutschen Ministeriumsgebäude – dem Sozialministerium in Schleswig-Holstein – gehisst. Dies war ein symbolischer Akt, der zeigte, dass bisexuelle Menschen auch offiziell Sichtbarkeit verdienen.

Seit Anfang der 2020er-Jahre nehmen die Initiativen zum Bi-Tag in Deutschland deutlich zu. Im September 2021 fand erstmals eine eigene Bi+ Pride in Deutschland statt. Am 23. September 2021 wurden in mehreren Städten die Bi-Flaggen gehisst, es gab Workshops (z.B. in Hamburg) und am 25. September mündete das Ganze in eine Demonstration durch die Hamburger Innenstadt. Diese erste Bi+ Pride markierte einen Meilenstein und wurde in den Folgejahren fortgeführt – so unterstützte 2023 auch der LSVD die bisexuelle Pride-Parade in Hamburg aktiv. Ebenso beteiligen sich immer mehr Kommunen: 2022 wurden beispielsweise in Flensburg, Kiel, Pinneberg und Reinbek zum Bi-Visibility-Day die Flaggen in Pink, Lila und Blau vor Rathäusern oder öffentlichen Einrichtungen gehisst. Solche Aktionen tragen dazu bei, die bisexuelle Community sichtbarer zu machen und die Öffentlichkeit für ihre Belange zu sensibilieren.

Dennoch ist die Sichtbarkeit bisexueller Menschen keine Selbstverständlichkeit. So kam es 2025 zu einem Rückschlag in Flensburg: Dort hatte es sich eigentlich etabliert, am 23. September die Bi+‐Flagge am Rathaus zu hissen, doch der Verwaltungsvorstand entschied kurzfristig, dies auszusetzen. Die Stadt begründete den Schritt mit dem Anspruch auf Neutralität und verwies darauf, man hisse stattdessen weiterhin nur die Regenbogenflagge für die gesamte LGBTQIA+-Community. Aus Sicht von Aktivist*innen ist das ein falsches Signal – Neutralität dürfe nicht bedeuten, bisexuelle Menschen unsichtbar zu machen, zumal gerade in Zeiten wachsender Queerfeindlichkeit solche Zeichen der Unterstützung wichtig seien. Dieser Vorfall zeigt, dass es weiterhin Engagement braucht, damit bisexuelle Themen in Deutschland wahr- und ernstgenommen werden. Insgesamt jedoch steigt die Wahrnehmung langsam an, da immer mehr Städte, Verbände und Medien den Tag der Bisexualität zum Anlass nehmen, über Bisexualität aufzuklären.

Veranstaltungen und Initiativen in Deutschland

Rund um den 23. September organisieren Bi+-Aktivist*innen und queere Gruppen in Deutschland diverse Veranstaltungen. Eine häufige Aktion ist das Hissen der Bisexuellen-Flagge in der Öffentlichkeit. Die Bi+-Pride-Flagge mit den Farben Pink, Lila und Blau wird z.B. vor Rathäusern, Unigebäuden oder anderen Orten gehisst, um ein Zeichen für Vorurteilsfreiheit und bi+sexuelle Sichtbarkeit zu setzen. So zeigte etwa die Stadt Reinbek am 23. September diese Flagge als Symbol für Akzeptanz, verbunden mit dem Appell, auf weiterhin bestehende Diskriminierungen aufmerksam zu machen.

Neben symbolischen Flaggenaktionen gibt es zum Tag der Bisexualität oft Informations- und Kulturveranstaltungen. In vielen Städten werden Podiumsdiskussionen, Vorträge, Workshops oder Filmvorführungen rund um das Thema Bisexualität angeboten. Community-Organisationen wie BiNe (Bundesverband Bi+) oder lokale Queer-Gruppen richten z.B. Bi-Stammtische, Lesungen oder Themenabende aus, die bisexuelle Lebenswelten beleuchten. Ein wichtiges Ereignis der letzten Jahre war die bereits erwähnte Bi+ Pride in Hamburg, die 2021 erstmals stattfand und seitdem jährlich organisiert wird. Dieses mehrtägige Event umfasst neben dem Hissen der Flaggen auch Workshops (teils online oder vor Ort) und eine Demonstration, die speziell die Bi+ Community in den Fokus rückt. Die Hamburger Bi+ Pride wurde u.a. vom Lesben- und Schwulenverband (LSVD) unterstützt und stellt die bisexuelle Sichtbarkeit in den Mittelpunkt. Solche Initiativen – ob kleinere Meet-ups oder größere Pride-Events – bieten bisexuellen Menschen die Gelegenheit, sich zu vernetzen, auszutauschen und gemeinsam stolz ihre Präsenz zu zeigen.

Gesellschaftlicher und politischer Kontext der Bisexualität

Bisexuelle Menschen sehen sich in Gesellschaft und Politik mit besonderen Herausforderungen konfrontiert. Häufig sind sie unsichtbar, da ihre Identität jenseits der üblichen Kategorien homo oder hetero liegt. Sie kämpfen somit auf zwei Ebenen gegen Vorurteile: Einerseits in der mehrheitlich heterosexuellen Alltagswelt, andererseits aber auch innerhalb der queeren Community. Bisexuelle werden trotz ihrer Queerness in LGBT-Kreisen nicht immer ernst genommen und gelten dort wie hier oft als „nicht dazugehörig“. Dieses doppelte Kreuz, für die einen „nicht homosexuell genug“ und für die anderen „nicht heterosexuell genug“ zu sein, führt zu Ausgrenzungen, die als Biphobie bzw. Bifeindlichkeit bezeichnet werden.

Typische Vorurteile gegenüber bisexuellen Menschen sind zum Beispiel:

  • Bisexualität sei nur eine Phase oder Ausdruck von Unentschlossenheit – bisexuellen Personen wird unterstellt, sie würden sich „nicht entscheiden können“ und würden sich letztlich doch als hetero oder homo einordnen müssen.
  • Bisexuelle Männer seien „eigentlich“ schwul und bisexuelle Frauen „eigentlich“ hetero und würden ihre wahre Sexualität verleugnen bzw. nur nach Aufmerksamkeit suchen.
  • Bisexuelle seien per se besonders promiskuitiv und unfähig zu Treue – es wird ihnen fälschlicherweise ein höherer Drang zu Seitensprüngen oder Gruppensex unterstellt. In Wahrheit hängt jedoch der Wunsch nach Monogamie oder offenen Beziehungsformen nicht von der sexuellen Orientierung ab; bisexuell zu sein bedeutet keineswegs, weniger treu oder bindungsfähig zu sein.

Solche Klischees und die generelle Unsichtbarmachung bisexueller Identitäten haben spürbare Folgen. Bisexuelle wagen es im Durchschnitt seltener, sich in Familie, Schule oder am Arbeitsplatz zu outen, da sie häufiger auf Misstrauen oder Ablehnung stoßen als Schwule und Lesben. Die ständige Infragestellung ihrer Identität und die fehlende Anerkennung führen zudem zu erhöhtem Minderheitenstress. Studien zeigen etwa, dass bisexuelle Menschen überdurchschnittlich oft unter psychischen Belastungen leiden: Laut einem US-Jugendreport von 2019 kämpfen 96 % der bisexuellen Jugendlichen mit Schlafproblemen, und beinahe die Hälfte aller bisexuellen Frauen erlebt im Laufe des Lebens sexualisierte Gewalt. Hinzu kommt, dass es bis heute an realistischen Vorbildern in den Medien und sichtbaren Subkulturen fehlt – bisexuelle Charaktere und Lebensentwürfe werden öffentlich kaum dargestellt, was das Gefühl der Isolation verstärkt.

Um diesen Problemen zu begegnen, engagieren sich Bisexuellen-Organisationen politisch und gesellschaftlich. So fordert beispielsweise der Verband BiNe (Bundesverband Bi+) mehr Respekt und Anerkennung für Bi+ Personen, die konsequente Nennung bisexueller Menschen bei LSBTIQ*-Aktionen (damit das „B“ nicht unter den Tisch fällt), verstärkte Aufklärung über Bisexualität in Schulen, eine ausgewogenere Medienpräsenz ohne Klischees sowie mehr Unterstützung beim Coming-out bisexueller Menschen. Auch der LSVD unterstreicht, dass staatliche und zivilgesellschaftliche Akteur*innen die spezifischen Bedürfnisse bisexueller Menschen berücksichtigen müssen. Er fordert eine verbindliche Vermittlung von Wissen über sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in allen Bildungseinrichtungen, um diskriminierende Narrative abzubauen. In den letzten Jahren gab es auch rechtliche Fortschritte, welche die politische Gleichstellung bisexueller Menschen betreffen. So hat etwa das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2020 klargestellt, dass bisexuelle Geflüchtete im Asylrecht denselben Schutz genießen wie homosexuelle Personen – ein wichtiges Signal, dass Bisexualität als eigene Orientierung ernst zu nehmen ist.

Zusammenfassend rückt der Tag der Bisexualität diese oft übersehene sexuelle Orientierung in den Vordergrund. Er macht auf die spezifischen Erfahrungen bisexueller Menschen aufmerksam und setzt sich für Sichtbarkeit, Akzeptanz und Gleichberechtigung ein – sowohl innerhalb der Community als auch in der Gesellschaft insgesamt. Durch Aufklärung und gemeinsame Aktionen am 23. September trägt der Aktionstag dazu bei, Vorurteile gegen Bisexualität abzubauen und die gesellschaftliche und politische Anerkennung von Bi+ Personen weiter voranzubringen.

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