Welt-Hepatitis-Tag: Geschichte, Ziele und globale Bedeutung
Einführung: Weltweit wird der Welt-Hepatitis-Tag jedes Jahr am 28. Juli begangen, um das Bewusstsein für virale Hepatitis – also durch Viren verursachte Leberentzündungen – zu schärfen. Er bietet die Gelegenheit, national und international Anstrengungen zur Bekämpfung der Hepatitis zu verstärken und die globale Reaktion auf diese Epidemie zu fördern. Im Folgenden werden die Herkunft und Geschichte des Aktionstags, seine Ziele und Bedeutung, Beispiele für Aktivitäten sowie die weltweite Relevanz von Hepatitis beleuchtet.
Herkunft und Geschichte des Welt-Hepatitis-Tags
Initiator des Welt-Hepatitis-Tags war die World Hepatitis Alliance (WHA) – ein globaler Zusammenschluss von über 200 Patientenorganisationen und Selbsthilfegruppen. Der erste tatsächlich weltweite Welt-Hepatitis-Tag wurde am 19. Mai 2008 begangen. Im Mai 2010 erkannte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) diesen Aktionstag formal als internationalen Gesundheitstag an. Seit 2011 findet der Welt-Hepatitis-Tag jedes Jahr am 28. Juli statt – dieses Datum wurde gewählt, weil es der Geburtstag des Nobelpreisträgers Dr. Baruch Blumberg ist. Blumberg entdeckte das Hepatitis-B-Virus und entwickelte einen entsprechenden Test sowie Impfstoff; zu seinen Ehren verlegte die WHO den Hepatitis-Aktionstag auf sein Geburtsdatum. Damit reiht sich der Welt-Hepatitis-Tag in die wenigen offiziellen Gesundheitstage der WHO ein und unterstreicht die hohe Priorität des Themas.
Bedeutung und Ziele des Aktionstags
Der Welt-Hepatitis-Tag verfolgt das zentrale Ziel, die globale Bevölkerung für die Gefahr der virusbedingten Leberentzündungen zu sensibilisieren und zu Prävention, Früherkennung und Behandlung zu ermutigen. Als einer von nur vier offiziellen weltweiten Gesundheitstagen der WHO (neben z. B. dem Welt-AIDS-Tag) macht er auf eine oft unterschätzte Epidemie aufmerksam. An diesem Tag soll über Übertragungsrisiken, Schutzmöglichkeiten (wie Impfungen) und Therapiemöglichkeiten informiert werden. Gleichzeitig werden Vorurteile und Ängste abgebaut, um Betroffene zu unterstützen und einer Stigmatisierung entgegenzuwirken.
Angesichts der globalen Krankheitslast ist dieser Aktionstag von großer Bedeutung: Analysen der WHO zufolge sterben weltweit täglich rund 3.500 Menschen an den Folgen von Hepatitis-Infektionen. Dennoch bleiben viele Infektionen unerkannt und unbehandelt, da eine erkrankte Leber oft lange Zeit keine Schmerzen verursacht und geringes Bewusstsein, Fehlinformationen und Stigmatisierung Menschen vom Testen und Behandeln abhalten. Der Welt-Hepatitis-Tag soll diesem Missstand entgegenwirken, indem er Regierungen und Gesundheitssysteme zum Handeln auffordert: So wird anlässlich des Aktionstags weltweit ein besserer Zugang zu Tests, Impfungen und Therapien gefordert und politische Entscheidungsträger werden zum aktiven Eingreifen aufgefordert. Die Vereinten Nationen und die WHO haben das ehrgeizige Ziel ausgerufen, Hepatitis B und C bis 2030 weitgehend zu eliminieren. Dieses Eliminationsziel (90 % weniger Neuinfektionen und 65 % weniger Todesfälle im Vergleich zu 2015) wurde 2016 formuliert und von vielen Ländern – darunter Deutschland – übernommen. Der Welt-Hepatitis-Tag dient als jährliche Mahnung und Ansporn, durch konzertierte Aktionen auf nationaler und globaler Ebene die notwendigen Schritte zur Erreichung dieser Ziele umzusetzen.
Globale und nationale Aktivitäten am Welt-Hepatitis-Tag
Die globale Koordination des Welt-Hepatitis-Tags erfolgt durch die World Hepatitis Alliance in Zusammenarbeit mit der WHO. Jedes Jahr steht der Aktionstag unter einem spezifischen Motto, das einen Schwerpunkt setzt. So lautete das internationale Motto 2021 etwa „Hepatitis can’t wait“ („Hepatitis kann nicht warten“) – ein Appell, die Bekämpfung der Hepatitis nicht aufzuschieben. Im Jahr 2024 wurde das Motto „It’s time for action“ („Zeit zu handeln!“) ausgerufen, um zu betonen, dass sofortige Schritte zur Hepatitis-Eindämmung nötig sind. Rund um den 28. Juli organisieren Gesundheitsorganisationen, Kliniken und NGOs weltweit Veranstaltungen und Kampagnen: Sie informieren die Öffentlichkeit über Hepatitis, verteilen Aufklärungsmaterial, starten Medienkampagnen und bieten häufig kostenlose Test- und Beratungsangebote an. So hat beispielsweise Uganda am Welt-Hepatitis-Tag 2023 landesweit gratise Hepatitis-B-Tests, Behandlungen und Impfungen für die Bevölkerung ermöglicht, um die Früherkennung zu verbessern. In vielen Ländern werden außerdem Fachkonferenzen, Benefiz-Aktionen oder symbolische Beleuchtungsaktionen (etwa das Anstrahlen von Wahrzeichen) durchgeführt, um Aufmerksamkeit zu erzeugen.
Auch national ist der Welt-Hepatitis-Tag ein wichtiger Aktions- und Informationstag. In Deutschland koordiniert die Deutsche Leberhilfe e.V. die Aktionen zum 28. Juli und fungiert als Ausrichter des Aktionstags. Unterstützt wird sie von weiteren Fachorganisationen wie der Deutschen Leberstiftung und der Deutschen Aidshilfe sowie von öffentlichen Stellen (z. B. der BZgA und dem Robert Koch-Institut). Gemeinsam klären diese Akteure über Hepatitis auf, rufen Personen in Risikogruppen dazu auf, sich testen zu lassen, und drängen auf politische Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgung. So betont die Deutsche Leberstiftung in ihren Mitteilungen zum Welt-Hepatitis-Tag beispielsweise die Erfolge des neuen Hepatitis-Screenings im Rahmen der Gesundheitsuntersuchung „Check-up 35“: Seit der Einführung dieses einmaligen Tests für alle über 35-Jährigen im Oktober 2021 hat sich die Zahl der diagnostizierten Hepatitis-B-Fälle in Deutschland nahezu verdreifacht, und die Zahl der entdeckten Hepatitis-C-Infektionen stieg auf mehr als das Doppelte. Solche Fortschritte werden am Aktionstag hervorgehoben, um zu zeigen, dass konsequente Früherkennung und Behandlung die Hepatitis-Epidemie eindämmen können. Gleichzeitig nutzen Fachkreise den Welt-Hepatitis-Tag, um politische Unterstützung einzufordern – etwa für die Umsetzung einer nationalen Hepatitis-Strategie und ausreichende Finanzierung von Präventionsprogrammen. Im Jahr 2022 organisierte die Deutsche Leberstiftung in Kooperation mit internationalen Partnern ein Strategietreffen zur Eliminierung der Virushepatitis in Deutschland, bei dem Experten aus Medizin, Wissenschaft und Politik konkrete Ziele und Maßnahmen formulierten. Diese Aktivitäten zeigen, dass der Welt-Hepatitis-Tag nicht nur ein Symboltag, sondern ein Impulsgeber für nachhaltige Veränderungen in der Hepatitis-Bekämpfung ist.
Hepatitis weltweit: Formen, Verbreitung und Gesundheitsrisiken
Der medizinische Hintergrund des Welt-Hepatitis-Tags ist die Bedeutung der verschiedenen Hepatitis-Erkrankungen. Hepatitis bedeutet allgemein eine Entzündung der Leber. Weltweit werden die meisten Leberentzündungen von Viren verursacht – insbesondere von den fünf Haupttypen Hepatitis A, B, C, D und E. Diese Hepatitisviren unterscheiden sich deutlich in ihren Übertragungswegen, ihrem geografischen Vorkommen und dem Krankheitsverlauf:
- Hepatitis A (HAV) und Hepatitis E (HEV) werden typischerweise fäkal-oral übertragen, d.h. durch Aufnahme von verunreinigtem Wasser oder Lebensmitteln, oft begünstigt durch mangelnde Hygiene. Beide verursachen meist akute, vorübergehende Leberentzündungen und führen nur selten zu chronischen Verläufen. Hepatitis A etwa zählt weltweit zu den häufigsten Ursachen der akuten Gelbsucht (Ikterus). Eine durchgemachte HAV- oder HEV-Infektion wird in der Regel folgenlos überstanden und hinterlässt Immunität, kann jedoch – insbesondere Hepatitis E bei Schwangeren – auch schwere Verläufe nehmen.
- Hepatitis B (HBV) und Hepatitis C (HCV) werden vor allem parenteral, also über Blut und andere Körperflüssigkeiten, übertragen. Typische Infektionswege sind etwa kontaminierte Spritzen oder Nadeln (z. B. beim intravenösen Drogenkonsum oder unsachgemäß durchgeführten medizinischen Eingriffen), Blutprodukte, ungeschützter Geschlechtsverkehr (besonders bei HBV) oder die Übertragung von der infizierten Mutter auf das Kind während Schwangerschaft und Geburt. Hepatitis B ist äußerst infektiös – weitaus ansteckender als HIV – und kann auch über kleinste Blutmengen oder sexuelle Kontakte weitergegeben werden. Beide, HBV und HCV, können chronische Verlaufsformen annehmen: Insbesondere wenn eine Infektion im Kindesalter erworben wird, ist die Wahrscheinlichkeit eines chronischen Verlaufs hoch (bei HBV-Infektion im ersten Lebensjahr ~90 % Risiko einer Chronifizierung). Chronische Hepatitis-B- und -C-Infektionen können über Jahre oder Jahrzehnte bestehen bleiben. Während dieser Zeit schädigen sie die Leber oft schleichend und zunächst ohne auffällige Symptome – die Leber besitzt keine Schmerzrezeptoren, sodass eine Entzündung oft unbemerkt bleibt. Langfristig können chronische Verläufe jedoch zu schweren Spätfolgen führen: Häufig entwickeln sich eine Leberzirrhose (narbiger Umbau des Lebergewebes mit Funktionsverlust) und ein Leberzellkarzinom (Leberkrebs). Tatsächlich gehören chronische Hepatitis B und C weltweit zu den Hauptursachen für Leberzirrhose und Leberkrebs.
- Hepatitis D (HDV, Delta-Hepatitis) stellt einen Sonderfall dar: Dieses defekte Virus kann Menschen nur infizieren, wenn gleichzeitig eine Hepatitis-B-Infektion vorliegt, da es das HBV als Helfervirus benötigt. Eine Koinfektion mit Hepatitis B und D kann den Krankheitsverlauf verschlimmern und führt besonders häufig zu fulminanten Verläufen und frühzeitiger Zirrhose. Durch die HBV-Impfung wird somit indirekt auch vor Hepatitis D geschützt.
Verbreitung: Viral bedingte Hepatitiden stellen ein enormes globales Gesundheitsproblem dar. Nach aktuellen Schätzungen der WHO leben weltweit etwa 300 bis 350 Millionen Menschen mit einer chronischen Hepatitis B oder C. Das entspricht grob 4–5 % der Weltbevölkerung. In vielen Regionen Afrikas und Asiens ist jeder zehnte Erwachsene chronisch mit Hepatitis B infiziert; Hepatitis C ist insbesondere in Teilen Afrikas, Osteuropas und Zentral- sowie Ostasiens verbreitet. In Deutschland und Zentraleuropa sind Virushepatitis-Erkrankungen in der Allgemeinbevölkerung seltener (Niedrigprävalenz), doch bestimmte Gruppen – etwa Drogengebraucher, Menschen aus Hochprävalenzländern oder medizinisches Personal mit Nadelverletzungen – sind häufiger betroffen. Schätzungen gehen von insgesamt mehreren Hunderttausend chronisch HBV- oder HCV-Infizierten in Deutschland aus.
Jedes Jahr sterben über eine Million Menschen an den Folgen von chronischer Hepatitis B oder C. Nach WHO-Angaben waren es 2022 sogar rund 1,3 Millionen Todesfälle weltweit, was etwa 3.500 Todesopfern pro Tag entspricht. Damit verursacht virale Hepatitis ähnlich viele jährliche Todesfälle wie HIV/AIDS oder Tuberkulose – Krankheiten, die weit mehr im öffentlichen Bewusstsein stehen. Tatsächlich zählen Hepatitis B und C zu den tödlichsten Infektionskrankheiten unserer Zeit. Leberkrebs, der oft als Spätfolge einer chronischen Hepatitis auftritt, rangiert global auf Platz 2 der krebsbedingten Todesursachen.
Viele dieser Krankheits- und Todesfälle wären vermeidbar. Es stehen Schutzimpfungen gegen Hepatitis A und B zur Verfügung, die von der WHO weltweit empfohlen werden. Insbesondere die Hepatitis-B-Impfung (seit 1995 in Deutschland Standard für Säuglinge) bietet einen doppelten Nutzen: sie schützt nicht nur vor HBV, sondern indirekt auch vor Hepatitis D. Für Hepatitis C gibt es zwar (noch) keinen Impfstoff, doch die in den letzten Jahren entwickelten Direkt antiviral wirksamen Medikamente ermöglichen es, über 95 % der Hepatitis-C-Patienten innerhalb weniger Wochen vollständig zu heilen. Auch chronische Hepatitis B kann mit modernen antiviralen Medikamenten effektiv behandelt und in Schach gehalten werden, selbst wenn eine komplette Heilung bisher selten ist. Diese Fortschritte nähren die Hoffnung, die globale Hepatitis-Epidemie eindämmen zu können. Die WHO betont, dass die meisten der bis 2030 prognostizierten neuen Infektionen und Todesfälle verhindert werden könnten, wenn Hepatitis-B-Impfprogramme konsequent umgesetzt, Präventionsmaßnahmen (wie sichere Injektionspraktiken und Harm-Reduction bei Drogengebrauch) ausgeweitet, sowie Test- und Behandlungsangebote für Hepatitis B und C weltweit deutlich ausgebaut würden. Kurz: Die Relevanz von Hepatitis liegt nicht nur in den alarmierenden Zahlen der Erkrankten und Verstorbenen, sondern auch in der Tatsache, dass entschlossenes Handeln – gefördert durch Aktionstage wie den Welt-Hepatitis-Tag – das Blatt wenden kann. Die globale Eliminierung von Hepatitis B und C ist bei umfassender Anwendung der vorhandenen Mittel grundsätzlich erreichbar. Der Welt-Hepatitis-Tag erinnert daher jedes Jahr daran, dass die internationale Gemeinschaft gemeinsam „Hepatitis eliminieren“ kann und muss.
 
