Stefanitag: Ursprung, Bedeutung und Bräuche des 26. Dezember

Herkunft und geschichtlicher Hintergrund des Stefanitags

Der Stefanitag am 26. Dezember geht auf den Gedenktag des heiligen Stephanus zurück – eines der ersten Mitglieder der Urgemeinde in Jerusalem und der erste Märtyrer des Christentums. Laut der Apostelgeschichte predigte Stephanus trotz Verbots die Lehre Jesu und wurde dafür schließlich wegen Gotteslästerung zum Tode verurteilt und außerhalb Jerusalems durch Steinigung hingerichtet. Sein Tod (vermutlich um 35 n. Chr.) machte ihn zum „Erzmärtyrer“ („Protomärtyrer“) der Kirche, da kein Christ vor ihm wegen seines Glaubens getötet wurde. Bereits im 4./5. Jahrhundert ist ein Fest zu Ehren des heiligen Stephanus belegt, das unmittelbar am Tag nach dem Weihnachtsfest begangen wurde. Mit der Einführung des 25. Dezember als Weihnachtsfeiertag etablierte sich der 26. Dezember als Stephanustag, wodurch symbolisch die Freude über die Geburt Christi und die Trauer über den Tod eines Glaubenszeugen direkt nebeneinander stehen. Die Verehrung des heiligen Stephanus verbreitete sich rasch in Ost- und Westkirche, und in den folgenden Jahrhunderten wurden ihm viele Kapellen und Kirchen geweiht – etwa der Wiener Stephansdom, der bis heute seinen Namen trägt.

Religiöse Bedeutung in der christlichen Tradition

In der christlichen (insbesondere katholischen) Tradition hat der Stefanitag einen festen Platz in der Weihnachtszeit. Die katholische Kirche feiert am 26. Dezember das Fest des heiligen Stephanus und gedenkt seines Martyriums. Als Zeichen dafür, dass Stephanus sein Leben für den Glauben hingab, sind liturgisch die Gewänder an diesem Tag meist in Rot gehalten. In der heiligen Messe werden häufig die biblischen Texte über das Wirken und Sterben des Stephanus gelesen (Apg 6–7), und das Evangelium betont die Bereitschaft zum Zeugnis trotz Verfolgung (Mt 10,17–22). Die Nähe des Stephanstags zum Weihnachtsfest verdeutlicht, dass die Weihnachtsfreude untrennbar mit der Bereitschaft zum Opfer und zum Eintreten für den Glauben verbunden ist. Auch in der evangelischen Kirche erinnert man mancherorts am zweiten Weihnachtsfeiertag an Stephanus – so hat z. B. die württembergische Landeskirche diesen Tag als Gebetstag für verfolgte Christen eingeführt. Seit einigen Jahren begeht auch die katholische Kirche im deutschsprachigen Raum den 26. Dezember als Gebetstag für verfolgte und bedrängte Christen in aller Welt. Darüber hinaus ist der 26. Dezember für viele Gläubige ein Namensfest: Personen mit dem Namen Stefan/Stephan oder Stefanie feiern an diesem Tag ihren Namenstag.

Ein Gemälde des heiligen Stephanus (Ausschnitt eines Altars von Carlo Crivelli, 1476). Der Heilige wird traditionell mit einem Palmzweig (Symbol des Martyriums) und den Steinen seiner Steinigung dargestellt.

Regionale Unterschiede in der Feier des Stefanitags

Obwohl der 26. Dezember in vielen Ländern an Stephanus erinnert, gibt es regional unterschiedliche Bezeichnungen und Brauchtumsformen. In Deutschland spricht man allgemein vom Zweiten Weihnachtsfeiertag, und in der evangelisch geprägten Tradition steht meist das Weihnachtsfest im Vordergrund – allerdings wird in manchen Gemeinden auch der Erinnerung an Stephanus Raum gegeben, um die ältere liturgische Tradition dieses Tages zu würdigen. In katholisch geprägten Regionen Deutschlands (etwa in Bayern) nennt man den Tag teils Stephanstag oder Stefanitag und pflegt spezifische Bräuche wie Pferdesegnungen (dazu unten mehr).

In Österreich wird der 26. Dezember fast ausschließlich Stefanitag genannt. Er ist seit jeher ein wichtiger Bestandteil der Weihnachtsfeierlichkeiten und ein gesetzlicher Feiertag. Die Österreicher besuchen an diesem Tag häufig Verwandte oder Freunde und setzen die weihnachtlichen Festivitäten fort. Interessanterweise wird der Stefanitag in den einzelnen Bundesländern teils unterschiedlich begangen – von feierlichen Reiterumzügen bis zu speziellen Speisen (siehe Abschnitt Bräuche und Traditionen).

In Südtirol (Italien) hat der Stefanitag einen ähnlichen Stellenwert wie in Österreich. Italien nennt den Tag Santo Stefano, und landesweit ist er als Feiertag arbeitsfrei. In den deutschsprachigen Gemeinden Südtirols spricht man vom Stefanitag und hält an traditionellen Ritualen fest, etwa der Segnung von Wasser und Salz in der Kirche. So erhält man z. B. am Stephanstag geweihtes Stephani-Wasser, mit dem anschließend Felder gesegnet werden, und das gesegnete Salz wird dem Vieh verfüttert, um Schutz und Segen für die Landwirtschaft zu erbitten. In einigen Familien wird in Tirol und Südtirol zudem erst am Stefanitag das Weihnachtszelten (ein Früchtebrot) angeschnitten und gemeinsam verkostet, was als besonderer Höhepunkt der weihnachtlichen Traditionsküche gilt.

In der Schweiz ist der 26. Dezember als Stephanstag bekannt und in den meisten Kantonen ein offizieller Feiertag. Deutschsprachige Schweizer verwenden meist die Bezeichnung Stephanstag, während man in der Westschweiz schlicht vom zweiten Weihnachtsfeiertag spricht. Die Ausgestaltung des Tages ähnelt den Bräuchen im süddeutschen und österreichischen Raum, insbesondere in katholischen Gegenden: Viele nutzen den Stephanstag für Familientreffen oder einen winterlichen Spaziergang, teils finden auch hier Pferdesegnungen statt, vor allem in ländlichen Gemeinden mit katholischer Tradition (z. B. im Kanton Freiburg). Allerdings gibt es regionale Unterschiede: In einigen wenigen Kantonen (besonders in der Westschweiz) ist der 26. Dezember kein gesetzlicher Feiertag, sodass dort weniger traditionelle Feiern stattfinden.

In anderen europäischen Ländern kennt man den 26. Dezember ebenfalls als wichtigen Feiertag, jedoch unter abweichenden Namen und Bräuchen. In Italien (wie erwähnt) ist Santo Stefano seit 1947 ein nationaler Feiertag, der meist im Kreis der Familie begangen wird. In Irland heißt der Tag St. Stephen’s Day und ist gesetzlicher Feiertag. Dort hat sich der alte Brauch des „Wren Day“ erhalten: In einigen Orten ziehen am Stephanstag verkleidete Gruppen – die Wren Boys – von Haus zu Haus, ursprünglich um einen (heute symbolischen) Zaunkönig (Wren) zu „jagen“ und Spenden zu sammeln, begleitet von Musik und Gesang. Im Vereinigten Königreich und den Commonwealth-Staaten ist der 26. Dezember als Boxing Day bekannt. Dieser Tag diente traditionell dazu, Armen und Dienstboten Geschenke (die „Christmas Boxes“) zu überreichen; heutzutage stehen dort eher sportliche Veranstaltungen, Einkaufsrabatte und Familientreffen im Vordergrund. In den ostkirchlichen Gemeinden (orthodoxe Kirchen) wird der Stephanustag meist einen Tag später, am 27. Dezember, gefeiert (in der serbisch-orthodoxen Kirche aufgrund des julianischen Kalenders sogar erst am 9. Januar).

Typische Bräuche und Traditionen am Stefanitag

Obwohl der Stefanitag in die Weihnachtszeit eingebettet ist, hat er eigene volkstümliche Bräuche hervorgebracht, die teilweise bis ins Mittelalter oder sogar auf vorchristliche Wurzeln zurückgehen. Im Folgenden eine Übersicht wichtiger Stefanitag-Traditionen:

  • Stefaniritt und Pferdesegnung: In vielen katholischen Gemeinden – besonders in Österreich, Teilen Bayerns und auch mancherorts in Südtirol – werden am 26. Dezember traditionell Pferde gesegnet. Häufig findet ein Stefaniritt statt: Die Reiter führen in festlicher Prozession ihre geschmückten Pferde durch das Dorf zur Kirche, wo der Pfarrer Ross und Reiter mit Weihwasser segnet. Dabei wird um Schutz und Gesundheit für die Tiere im kommenden Jahr gebeten. Der heilige Stephanus gilt nämlich als Patron der Pferde sowie der Kutscher und Stallknechte. Dieser Brauch zählt zu den ältesten Stefanitagstraditionen und könnte bis auf keltische Winterriten zurückgehen. Neben den Pferden werden mancherorts auch Hafer und Wasser gesegnet – das sogenannte Stephaniwasser und Stephanushafer, die früher als Schutzmittel gegen Krankheit und Unheil für Tier und Hof galten. So war es Brauch, den Pferden beim ersten Ausritt im Frühjahr ein mit Stephaniwasser befeuchtetes Stück Brot zu geben, um sie vor Bösem zu bewahren.
  • Familienbesuche und Stefanibraten: Der zweite Weihnachtsfeiertag wird vielerorts genutzt, um Verwandte und Freunde zu besuchen und gemeinsam zu feiern. Traditionell galten die Weihnachtsfeiertage als Zeit, an der man nach den eher häuslichen Heiligabend-Feiern am 25. und 26. Dezember die Großeltern, Tanten, Onkel oder Paten aufsuchte. In Österreich war es üblich, am Stefanitag die Schwiegereltern zu besuchen und ihnen als Gastgeschenk besondere Speisen mitzubringen. So entstand der Begriff Stefanibraten – vielerorts wurde an diesem Tag ein festlicher Braten (oft Gans, Ente oder Schweinebraten) zubereitet, den man entweder bei der Verwandtschaft gemeinsam verspeiste oder als Geschenk überbrachte. Heutzutage kochen viele Familien am 26. Dezember nochmals ein Weihnachtsmenü auf, um die Feiertage kulinarisch abzurunden – beliebte Gerichte sind zum Beispiel Weihnachtsgans mit Apfelkren, Bratwürste, Karpfen oder Fondue und Raclette als gemütliches Beisammensein.
  • Störibrot anschneiden: Speziell in Oberösterreich existiert der Brauch des Störibrots. Dieses mit Anis gewürzte Brot aus Weizen- und Roggenmehl wird ausschließlich zum Stefanitag gebacken. Früher nahm der frisch verheiratete Ehemann oder der Brautwerber am 26. Dezember ein solches Störibrot mit, um damit die Schwiegereltern bzw. die Eltern der Angebeteten zu besuchen. Beim gemeinsamen Störibrotanschneiden entwickelte sich ein kleines Zeremoniell: Oft mussten die jungen Männer ein Messer dabei haben, um das Brot anzuschneiden – wer keins hatte, „musste zur Strafe einen Schnaps trinken“. Das Anschneiden selbst erfolgte mit Geschick, sodass ein kleines Stück („Scherzl“) in die Schürze der Tochter fiel. Aus dieser scheinbar scherzhaften Handlung entstand ein Liebesorakel: Je nachdem, was die junge Frau anschließend in eine Streichholzschachtel packte (das Brotstückchen, eine leere Schachtel oder z.B. eine Kartoffelschale), konnte der Verehrer daraus schließen, ob er willkommen war oder nicht. Dieses Ritual, bei dem sich christliche und vorchristliche Symbolik mischten, wurde in manchen ländlichen Gemeinden bis ins 20. Jahrhundert gepflegt. Heutzutage ist das Störibrotanschneiden eher selten geworden, doch das Brot selbst wird mancherorts noch gebacken und als besonderes Weihnachtsgebäck genossen. Im modernen Alltag hat das gemütliche Beisammensein bei Kaffee und Kuchen am Stefanitag das alte Brauchtum abgelöst, doch der Gedanke, den angeheirateten Verwandten an diesem Tag Aufmerksamkeit zu schenken, lebt fort.
  • Stephanus-Steinigen und „Krambamperl“: Einige der derbsten Stefanitag-Bräuche erinnern direkt an das Martyrium des Heiligen. So gab es im ländlichen Alpenraum den Brauch des „Stephanus-Steinigen“: Dabei handelt es sich nicht um ein tatsächliches Steinewerfen, sondern um ein Trinkritual der (meist männlichen) Dorfjugend, das scherzhaft auf die Steinigung des Stephanus anspielt. Nach dem Kirchenbesuch traf man sich in der lokalen Gastwirtschaft, um gemeinsam hochprozentige Getränke zu konsumieren – gewissermaßen ein ausgelassenes „Steinigungs“-Gelage. Im Salzkammergut (Oberösterreich/Steiermark) hat sich daraus das Krambamperl-Brennen entwickelt: Man entzündet in einem Stamperl Glas Wacholderschnaps (Krambambuli) und karamellisiert darüber einen Zuckerwürfel, der brennend in den Schnaps fällt. Dieses heiße, süße Getränk – Krambamperl genannt – wird dann in fröhlicher Runde getrunken. Der Brauch ist heute Teil der regionalen Wirtshauskultur und wird oft am Stefanitag gepflegt, um auf gesellige Weise das Jahresende einzuläuten. Auch wenn solche Trink-Bräuche aus moderner Sicht archaisch wirken, halten sie die Erinnerung an Stephanus’ Schicksal wach – auf rustikal-humorvolle Art, die typisch für alpenländisches Winterbrauchtum ist.
  • Konzerte und weitere Traditionen: In vielen Gemeinden haben sich am Stefanitag zusätzliche lokale Traditionen etabliert. So veranstalten manche Orte Stefanikonzerte ihrer Musikkapellen oder Chöre am Abend des 26. Dezember, um die weihnachtlichen Festtage musikalisch ausklingen zu lassen. Mancherorts ziehen Sternsinger-Gruppen bereits am Stefanitag von Haus zu Haus (obwohl der eigentliche Sternsinger-Tag der 6. Januar ist), oder es finden Benefizveranstaltungen zu Ehren des heiligen Stephanus statt. Die Bandbreite reicht von besinnlichen Andachten bis zu volkstümlichen Theaterstücken über die Geschichte des ersten Märtyrers. Insgesamt verbinden die Bräuche am Stefanitag häufig die Weiterführung der Weihnachtsfreude (Familie, Musik, gutes Essen) mit dem Gedenken an einen Heiligen, der für seinen Glauben alles opferte. Diese Mischung aus Feierlichkeit und Nachdenklichkeit verleiht dem Stefanitag seinen besonderen Charakter.

Stefanitag als gesetzlicher Feiertag

Der 26. Dezember ist in vielen Ländern ein gesetzlicher Feiertag. In Österreich und Deutschland gilt er als staatlicher Feiertag (in Deutschland als „Zweiter Weihnachtsfeiertag“) mit Arbeitsruhe. Auch in fast der gesamten Schweiz ist der Stephanstag arbeitsfrei – insgesamt in über 20 Kantonen. Italien begeht den 26. Dezember landesweit als Feiertag (Santo Stefano) seit den späten 1940er-Jahren, ebenso Polen, Tschechien, Slowakei, Skandinavien (als 2. Weihnachtsfeiertag) und viele weitere europäische Länder. In Irland ist St. Stephen’s Day ein offizieller Feiertag. Im Vereinigten Königreich und in Ländern des Commonwealth ist der Boxing Day am 26. Dezember gesetzlicher Feiertag. Damit knüpfen diese Staaten an die Tradition an, die Weihnachtszeit auf zwei Feiertage auszudehnen – einen für den religiösen Aspekt (Christfest) und einen für gesellschaftliche und familiäre Aktivitäten (Stefanitag/Boxing Day). Historisch betrachtet hat der Stephanustag also in weiten Teilen der Welt einen festen Platz im Kalender gefunden: Er erinnert einerseits an die Wurzeln des christlichen Glaubens (durch den ersten Märtyrer) und bietet andererseits Raum für Brauchtum und Gemeinschaft, die die Weihnachtszeit bereichern.

Fazit: Der Stefanitag am 26. Dezember verbindet auf einzigartige Weise Geschichte und Gegenwart. Ausgehend vom biblischen Stephanus, der als erster für den christlichen Glauben starb, entwickelte sich ein reiches Geflecht an religiösen Feiern, regionalen Bräuchen und familiären Traditionen. Ob Pferdesegnung in Kärnten, Brotbrechen in Oberösterreich, Wren-Boys in Irland oder Shopping am Boxing Day – überall trägt dieser Tag eigene Farben, bleibt aber im Kern dem Gedenken an Nächstenliebe und Standhaftigkeit im Glauben gewidmet. Als zweiter Weihnachtsfeiertag und gesetzlicher Ruhetag in vielen Ländern lädt der Stefanitag die Menschen dazu ein, die Weihnachtsbotschaft in Gemeinschaft zu vertiefen und zugleich altes Kulturgut lebendig zu halten. So schließt der 26. Dezember die Weihnachtsfeierlichkeiten stimmungsvoll ab und erinnert daran, dass auf die Freude der Geburt auch die Verantwortung des Glaubenszeugnisses folgt.

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