Abrüstungswoche: Herkunft, Bedeutung und Organisation in Deutschland

Ursprung und geschichtliche Herkunft der Abrüstungswoche

Die Abrüstungswoche (englisch Disarmament Week) geht auf eine Initiative der Vereinten Nationen zurück. Erstmals wurde sie 1978 von der UN-Generalversammlung im Schlussdokument einer Sondersession zur Abrüstung ausgerufen. Der Beginn dieser jährlich begangenen Woche fällt bewusst auf den 24. Oktober – den Gründungstag der UNO. Ziel der Abrüstungswoche ist es, weltweit das Bewusstsein für die Gefahren des Wettrüstens zu schärfen, für ein Ende des Rüstungswettlaufs einzutreten und die Öffentlichkeit für die dringende Aufgabe der Abrüstung zu gewinnen. 1995 forderte die Generalversammlung der UN alle Regierungen und Nichtregierungsorganisationen auf, sich aktiv an der Abrüstungswoche zu beteiligen (UN-Resolution 50/72 B), um das Verständnis für Abrüstungsfragen in der Bevölkerung zu fördern.

Auch in Deutschland fand die Idee der Abrüstungswoche früh Anklang – insbesondere im Kontext der Friedensbewegung während des Kalten Krieges. Schon Anfang der 1980er Jahre, als die Sorge vor einem atomaren Konflikt wuchs, griffen Friedensgruppen das Konzept auf. So organisierte etwa 1987 das Friedensbüro Tübingen eine Abrüstungswoche mit Aktionen zivilen Ungehorsams an US-Militärstandorten: In Mutlangen und im bayerischen Kettershausen protestierten Aktivist*innen eine Woche lang gegen die dort stationierten Pershing-II-Atomraketen. Solche Aktionen unter dem Motto „Frieden schaffen ohne Waffen“ knüpften an das biblische Leitbild „Schwerter zu Pflugscharen“ an, das gerade in der deutschen Friedensbewegung – etwa bei kirchlichen Initiativen in Ost- und Westdeutschland – große Symbolkraft hatte. Die Abrüstungswoche hat damit sowohl einen völkerrechtlichen UNO-Hintergrund als auch Wurzeln in der deutschen Friedensbewegung, die das Anliegen der internationalen Abrüstung in konkreten lokalen Protest umsetzte.

Politische Bedeutung der Abrüstungswoche in Deutschland

In Deutschland wird die Abrüstungswoche von einer breiten Allianz friedenspolitischer Akteure genutzt, um abrüstungspolitische Forderungen in den Vordergrund zu stellen. Friedensorganisationen wie die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK), IPPNW (Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs), pax christi und Kampagnenbündnisse wie „Büchel ist überall – atomwaffenfrei jetzt“ beteiligen sich regelmäßig. Unterstützung kommt auch von politischer Seite: Vor allem linke und grüne Parteien sowie Abgeordnete mit abrüstungspolitischem Profil beziehen Stellung. So betonte z.B. Sabine Lösing, die friedenspolitische Sprecherin der Linkspartei im Europaparlament, anlässlich der UN-Abrüstungswoche, wie wichtig Abrüstung gerade angesichts globaler Spannungen und der Debatte um das UN-Atomwaffenverbot sei. Sie forderte konsequente atomare Abrüstung und den Beitritt Deutschlands zum 2017 beschlossenen UN-Atomwaffenverbotsvertrag – eine zentrale Forderung vieler deutscher Friedensgruppen. Auch Abgeordnete der SPD haben die Abrüstungswoche zum Anlass genommen, um für neue Abrüstungsinitiativen zu werben. So warb 2019 der SPD-Abgeordnete Karl-Heinz Brunner dafür, weltweit verstärkte Bemühungen für eine friedlichere Welt zu unternehmen, und erinnerte daran, dass 30 Jahre nach Ende des Kalten Krieges eine starke Friedensbewegung ebenso nötig sei wie damals.

Ziele und Forderungen: Im Mittelpunkt der Abrüstungswoche stehen in Deutschland mehrere Kernanliegen: Erstens die atomare Abrüstung – konkret die Forderung nach einem atomwaffenfreien Deutschland und Europa. Dies schließt den Abzug der letzten in Deutschland stationierten US-Atomwaffen (Standort Büchel) sowie die Unterstützung des Atomwaffenverbotsvertrags ein. Zweitens wird ein Stopp der Aufrüstungsspirale und der stetigen Erhöhung von Rüstungsausgaben verlangt. Viele Friedensorganisationen kritisieren, dass immer mehr Milliarden ins Militär fließen, während Mittel für Soziales, Bildung und Klimaschutz fehlen. So erklärte ein Bündnis um pax christi in einem Abrüstungs-Appell 2025: „Aufrüstung führt in eine Sackgasse. Frieden kann nur durch Diplomatie und zivile Mittel erreicht werden“. Drittens fordern die Initiativen strengere Kontrollen oder einen Stopp von Rüstungsexporten, insbesondere in Krisen- und Kriegsgebiete, nach dem Motto „Export von Waffen stoppen – Frieden fördern“. Viertens steht die Förderung von Diplomatie und Entspannungspolitik im Vordergrund. Angesichts aktueller Konflikte – von der Ukraine bis zum Nahen Osten – drängen Friedensgruppen darauf, Verhandlungen und Waffenstillstände aktiv zu unterstützen statt auf militärische Lösungen zu setzen. Viele Aktivist*innen beziehen sich dabei auch auf das deutsche Vermächtnis „Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!“ und mahnen, diesem Grundsatz gerecht zu werden, indem Deutschland eine friedensstiftende Rolle einnimmt.

Beteiligte politische Gruppen und Bewegungen: Die deutsche Friedensbewegung ist heterogen, doch zur Abrüstungswoche ziehen viele Strömungen an einem Strang. Klassische Friedens- und Antikriegs-Initiativen arbeiten mit globalen Netzwerken wie ICAN (International Campaign to Abolish Nuclear Weapons) zusammen. Neben pazifistischen Gruppierungen beteiligen sich auch Jugendorganisationen und Umweltschützer (etwa mit dem Argument, dass Mittel für Rüstung im Kampf gegen die Klimakrise fehlen). Linke Parteien und Abgeordnete unterstützen die Aktionswoche oft aktiv durch Teilnahme an Kundgebungen oder parlamentarische Vorstöße. Beispielsweise organisierte ein Bündnis unter Beteiligung der Partei Die Linke am 3. Oktober 2024 eine große Demonstration in Berlin unter dem Motto „Nein zu Krieg und Hochrüstung!“, um gegen steigende Rüstungsausgaben zu protestieren. Ebenso brachte die Gewerkschaft ver.di im Oktober 2024 mit einer eigenen Kundgebung in München („SOZIALES rauf – RÜSTUNG runter“) die soziale Dimension der Abrüstungsforderung zum Ausdruck. Diese Beispiele zeigen, dass die Abrüstungswoche in Deutschland über reine Friedenskreise hinaus Unterstützung findet – von linken politischen Kräften bis hin zu Gewerkschaften, die vor einer neuen Aufrüstung und ihren sozialen Folgen warnen.

Aktuelle Organisation und regelmäßige Aktionen in Deutschland

Koordination: In Deutschland wird die Abrüstungswoche vor allem von zivilgesellschaftlichen Netzwerken getragen. Eine zentrale Rolle spielt die Kooperation für den Frieden, ein Bündnis von über 50 Friedensinitiativen und -organisationen. Dieses Netzwerk – zu dem u.a. DFG-VK, IPPNW, pax christi, die NaturFreunde, der Versöhnungsbund und viele regionale Friedensforen gehören – stimmt gemeinsame Aufrufe und Aktionen ab. Zusammen mit dem Netzwerk Friedenskooperative, das einen umfangreichen Terminkalender für Friedensaktionen führt, informiert die Kooperation über geplante Veranstaltungen in der Abrüstungswoche und mobilisiert zur Teilnahme. Eine offizielle staatliche Koordination gibt es hingegen nicht; die Aktivitäten basieren auf dem Engagement der Zivilgesellschaft. Oft schließen sich lokale Bündnisse zusammen, um vor Ort Veranstaltungen zu organisieren, unterstützt durch überregionale Kampagnen und Informationsmaterial der Friedensnetzwerke.

Regelmäßige Veranstaltungen und Aktionen: Alljährlich rund um den 24. Oktober finden in vielen Städten Mahnwachen, Friedensgebete, Informationsveranstaltungen und Kundgebungen statt. Diese Aktionen variieren von Ort zu Ort, folgen aber einem gemeinsamen Anliegen: öffentlich auf die Notwendigkeit von Abrüstung hinzuweisen. Beispiele für wiederkehrende Veranstaltungen sind Friedensgebete in Kirchen, Vortragsabende zu Rüstungskontrolle oder Ausstellungen über die Folgen von Krieg und Aufrüstung. Lokale Friedensbündnisse organisieren Infostände in Fußgängerzonen, verteilen Flyer und sammeln Unterschriften unter Abrüstungs-Petitionen – so wie 2025 die von pax christi initiierte Unterschriftensammlung „Immer mehr Milliarden fürs Militär? Nicht mit mir!“, die bis in den Herbst 2026 hinein läuft. In Städten mit Rüstungsindustrie oder Bundeswehr-Standorten kommt es regelmäßig zu Protestaktionen während der Abrüstungswoche: etwa Mahnwachen vor Rüstungsfirmen, Demonstrationen vor Truppenübungsplätzen oder kreative Aktionen wie das Umrunden eines Militärstandorts mit Lichtern als „Lichterkette für den Frieden“. Viele dieser Aktionen werden in Kooperation mit Kirchen, NGOs und Gewerkschaften durchgeführt.

Rolle von Kirchen, NGOs und Gewerkschaften: Kirchen und kirchliche Friedensgruppen sind wichtige Mitträger der Abrüstungswoche. Die katholische Friedensbewegung pax christi sowie evangelische Initiativen (z.B. Ohne Rüstung Leben oder die Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden) gestalten Gebete und Aufrufe. So mahnen Kirchenvertreter immer wieder zur Abkehr vom Wettrüsten im Geiste der Nächstenliebe und der Bewahrung der Schöpfung. Pax christi Deutschland etwa organisiert nicht nur Gebetsaktionen, sondern tritt politisch mit Appellen an die Regierung auf – wie dem oben erwähnten Abrüstungsappell, der von zahlreichen weiteren NGOs unterstützt wird. Die Gewerkschaften wiederum bringen die sozialpolitische Perspektive ein. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) ruft traditionell am Antikriegstag (1. September) zu Frieden und Abrüstung auf und hat Parolen wie „Abrüstung und Entspannung wählen!“ geprägt. In der Abrüstungswoche selbst beteiligen sich Gewerkschafter an Bündnisdemonstrationen oder organisieren eigene Veranstaltungen – oft in Kooperation mit Friedensgruppen. So demonstrierten 2024 Gewerkschafterinnen in München gemeinsam mit Friedensaktivisten dafür, Geld in Soziales statt ins Militär zu stecken. Dieser Schulterschluss zeigt, dass Abrüstung in Deutschland nicht nur ein Anliegen einiger Idealistinnen ist, sondern von breiten gesellschaftlichen Kräften geteilt wird: kirchlichen wie säkularen Friedensinitiativen, Umwelt- und Entwicklungsorganisationen, Jugendverbänden und Teilen der Arbeitnehmerbewegung.

Fazit: Die Abrüstungswoche hat sich in Deutschland zu einer festen Institution der Friedensbewegung entwickelt. Zwar erreicht sie nicht immer die mediale Aufmerksamkeit wie große Einzel-Demonstrationen, doch sie bietet jährlich einen wichtigen Fokus, um das Thema Abrüstung in die Öffentlichkeit zu tragen. Initiativen im ganzen Land nutzen diese Woche, um mit kreativen Aktionen und klaren Forderungen daran zu erinnern, dass Friedenspolitik auch in stürmischen Zeiten möglich ist. Angesichts aktueller Aufrüstungstendenzen – vom Ukraine-Krieg bis zur Debatte um höhere Militärausgaben – hat die Abrüstungswoche nichts an Aktualität verloren. Im Gegenteil: Viele Gruppen sehen sie als Gelegenheit, dem politischen Kurs Kritik entgegenzusetzen und Alternativen aufzuzeigen. Dabei knüpfen sie an Deutschlands historische Verantwortung an und halten die Vision lebendig, dass Sicherheit letztlich nur durch gemeinsame Abrüstung und Verständigung zu erreichen ist. Die Abrüstungswoche in Deutschland ist somit ein Spiegel sowohl internationaler Abrüstungsbemühungen der UNO als auch der lebhaften deutschen Friedensbewegung – ein jährlicher Appell für weniger Waffen und mehr Frieden.

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